Vielleicht kennen Sie den Witz: Treffen sich zwei Freunde, die sich seit der Schule nicht gesehen haben. Während der eine immer ein sehr guter Schüler war, nach dem Abitur studierte und Arzt wurde, war der andere immer als Nichtsnutz verschrien, der es vermutlich nie zu was bringen würde. Der „Nichtsnutz“ ist aber elegant gekleidet, ist mit teurem Wagen, schicker Uhr und ähnlichem Schnickschnack ausgestattet. Also fragt der Erste: „Sag mal, was arbeitest Du denn? In der Schule hattest Du ja mit vor allem mit Mathe so deine Schwierigkeiten…. “ „Ganz einfach, ich verkaufe Schnullerketten. Die kaufe ich für 5 Cent ein und verkaufe sie für 1,5 € – und von diesen 3 Prozent kann ich gut leben.“
So ähnlich wie dem „Rechenkünstler“ in diesem Scherz ging bzw. geht es zurzeit Banken der Eurozone: im September 2019 wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) das sogenannte TLTRO III - Programm aufgelegt (die Abkürzung der steht für [Targeted Longer-Term Refinancing OperationsIII] Quelle).
Hinter diesem sperrigen Namen bzw. Kürzel verbirgt sich ein Instrument zur Unterstützung der Banken der Eurozone, welches noch aus Zeiten der Finanzkrise 2008 stammt. In insgesamt 10 Tranchen (die letzte wurde Ende 2021 ausbezahlt), mit einer Laufzeit von 3 Jahren, konnten sich Banken, zu sehr günstigen Konditionen, langfristig Geld leihen. Ziel dieser Intervention war es, die Banken auch in den turbulenten Zeiten der Coronakrise weiterhin zur Kreditvergabe zu animieren. Die einzige Bedingung für Teilnahme an TLTRO III war, dass die Banken in der Krise ihre Kreditvergabe nicht reduzierten.
Allein: das Geld wurde nicht nur an Unternehmen oder private Verbraucher weitergereicht. Da die Eurozone spätestens seit Ende 2022 mit einer steigenden Inflation zu kämpfen hat (über deren Versagen bei der Inflationsprognose müsste man einen eigenen Artikel schreiben!),
musste der Leitzins rasch angehoben werden (siehe Graphik, Datenquelle: Bundesbank). Für die Banken hieß das in erster Linie, dass sie die Gelder langfristig für einen Zinssatz nahe Null (oder gar darunter, -1% (sic!) zumindest für einen Teil der Laufzeit) leihen und nun kurzfristig zum gestiegenen Einlagenzins von 2.5-3% bei der EZB kurzfristig anlegen konnten - komplett risikofrei! Von diesen 2-3% können offenbar die europäischen Banken gut leben, denn dieses Jahr könnten laut bspw. der Bewegung Finanzmarktwendedie Gewinne aus diesen Geschäften bei einem zweistelligen Mrd.-Betrag liegen, 25-30 Mrd. €. https://www.finanzwende.de/standpunkte/standpunkt-ezb-sollte-risikolose-profite-von-banken-stoppen/
Was bleibt, außer aufpolierten Bankbilanzen und Verlusten auf Seiten der EZB (die für 2022 genau wie die Bundesbank eine runde Null für 2022 ausweist; da die Verluste aus obigem Programm, Rückstellungen gegenüber gestellt wurden: https://www.bundesbank.de/de/presse/pressenotizen/bundesbank-greift-fuer-2022-auf-risikovorsorge-zurueck-905548 und https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2023/html/ecb.pr230223~398b74f1dc.de.html?
Die Zentralbank konnte an dieser Stelle nicht viel machen: Sie konnte versuchen, nachträglich einen höheren Zins zu verlangen und die Laufzeitenanzupassen - dass dies rechtlich, gelinde gesagt, heikel wäre, ist offensichtlich. Sie könnte stattdessen auf eine Erhöhung der Mindestreserven, die jede Bank bei der EZB hinterlegen muss, pochen. Das würde das Geld, was die Bank als sog. Überschussreserve bei der EZB parken und darauf den Einlagenzins verdienen darf, reduzieren.
Da die erste Option zumindest den gewünschten Effekt hatte, Liquidität aus dem Markt zu ziehen (wg. Inflation), ist dies bei der zweiten Option nicht der Fall und so hat man sich folgerichtig im Oktober 2022 für Option 1 entschieden und die Kosten auf 1.5% hochgesetzt. Das ist selbstverständlich immer noch ein gutes Geschäft für die Banken und hat nur leidlich zum Rückzahlen beigetragen.
Die EZB schrieb am 23.02.2023 in ihrer Pressemitteilung zum Jahresabschluss "Konsolidierte Bilanz des Eurosystems": Ende 2022 belief sich das Volumen der konsolidierten Bilanz des Eurosystems, das die Aktiva und Passiva der NZBen des Euroraums und der EZB gegenüber Dritten umfasst, auf 7 956 Mrd. € (2021: 8 564 Mrd. €). Die Verringerung gegenüber dem Vorjahr ging vorwiegend auf den Rückgang der Kreditgeschäfte des Eurosystems infolge der vorzeitigen Rückzahlungen und der Fälligkeit der im Rahmen der dritten Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO III) aufgenommenen Kreditbeträge zurück, was teilweise durch höhere Bestände an zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Wertpapieren infolge der Ankäufe im Rahmen des APP und des PEPP ausgeglichen wurde. Die Bestände des Eurosystems an zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Wertpapieren erhöhten sich um 224 Mrd. € auf 4 937 Mrd. € (2021: 4 713 Mrd. €). Die Bestände der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere stiegen um 130 Mrd. € auf 3 254 Mrd. €, und die Bestände im Rahmen des PEPP stiegen um 100 Mrd. € auf 1 681 Mrd. €.“ Wie man an diesen Mechanismen sehen kann, sitzen die klügeren Finanzwissenschaftler auf Seiten der Privatbanken. Die EZB hätte mit ehrlichen Inflationsvorhersagen diesen Geschäften direkt Einhalt gebieten können.
Was heisst das alles für den Steuerzahler? Nichts weiter: Der ist davon weitgehend unbetroffen und darf als Steuerzahler immerhin die Verluste der EZB bzw. der nationalen Zentralbanken ausgleichen und darf im Gegenzug natürlich nicht von besonders günstigen Konditionen der Banken profitieren. Win–Win, halt für das System und nicht für den Bürger.